Fertig mit der Schule und noch keine Ahnung, in welche Richtung es gehen soll? Heutzutage stehen Ihnen viele Möglichkeiten offen. Gar nicht so einfach, sich zu entscheiden, was man machen will! Schließlich übt man den gewählten Beruf im Idealfall bis zum Rentenalter aus. Es gilt also, etwas zu finden, das im besten Fall Spaß, Leidenschaft und Zukunftsperspektiven miteinander verbindet.
Wie entscheidet man sich für einen Beruf?
Um sich für einen Beruf entscheiden zu können, ist es wichtig, sich darüber zu informieren, wie die Ausbildung und der spätere Berufsalltag aussehen. Denn nicht immer stimmen Vorstellung und Realität überein. Eine gute Möglichkeit, in bestimmte Bereiche hineinzuschnuppern, sind Praktika in einem entsprechenden Betrieb. So bekommen Sie nicht nur einen Einblick in den Beruf, sondern können auch jede Menge Fragen zur Bewerbung und Ausbildung stellen – und knüpfen vielleicht sogar erste Kontakte für später.
… in Hessen im Ausbildungsjahr 2019 38.371 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen wurden, die meisten davon im Bereich Industrie und Handel?“
(Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2020)
Ausbildungsberufe in der Region
Manchmal lässt es sich nicht vermeiden und oft ist es auch erwünscht: Für den Traumjob müssen Sie in eine andere Stadt ziehen. Aber keine Sorge: Auch in der Region gibt es spannende Ausbildungsmöglichkeiten. Wir stellen vier Berufe aus verschiedenen Branchen vor und lassen Menschen, die darin arbeiten, zu Wort kommen.
Designer/-in
Christiane Wegner ist eine Frankfurter Designerin mit eigenem Ladengeschäft in Sachsenhausen, indem sie ihre Kollektionen verkauft. Sie ist Modeschöpferin mit Leib und Seele und weiß, worauf es bei diesem Beruf ankommt. „Mein Hauptantrieb war die Leidenschaft für Mode und fürs Gestalten. […] Und einen kreativen Beruf kann man nur ausüben, wenn man für das brennt, was in einem steckt und was man gerne umsetzen möchte.“ Sie rät jedem, der in diesem Bereich Fuß fassen möchte, zuerst eine Schneiderlehre zu absolvieren. „Das ist für mich am wichtigsten: Sich intensiv, geduldig zwei, drei Jahre mit der Materie auseinanderzusetzen. Man kann dann immer noch ein aufbauendes Studium dranhängen, aber man hat schon eine abgeschlossene Berufsausbildung, aus der man auch etwas entwickeln kann.“ Im Interview erzählt sie, wie ihr Weg zum eigenen Modelabel ausgesehen hat.
Interview mit Christiane Wegner, Designerin
Warum haben Sie sich für den Berufsweg zur Designerin entschieden?
Ich habe mich immer sehr für Körper interessiert und was man mit Mode und Schnitttechnik machen kann: Man gestaltet in der Fläche und es entsteht eine Form – das klingt simpel, doch dahinter verbirgt sich ein großes Konstrukt, das ich gerne Architektur am Körper nenne. Somit kann man natürlich toll Design und Technik miteinander verbinden, und mit dieser Faszination kommt man immer auf das Wesentliche zurück, nämlich den Körper.
Haben Sie bei der Entscheidung auch andere Faktoren berücksichtigt, zum Beispiel Aufstiegsmöglichkeiten oder Gehalt?
Eigentlich nicht. Mein Hauptantrieb war die Leidenschaft für Mode und fürs Gestalten. Wenn man jung ist, ist man sehr idealistisch und denkt meistens nicht übers Geld nach. Und einen kreativen Beruf kann man nur ausüben, wenn man für das brennt, was in einem steckt und was man gerne umsetzen möchte. Man könnte sagen, nach dem Motto „Nicht reich, aber glücklich“.
Was hat Sie denn dazu bewogen, in der Region zu bleiben, konkret in Frankfurt?
Das Konzept, das ich fast von Anfang an im Kopf hatte und das ich umsetzen wollte, habe ich als Alleinstellungsmerkmal im Rhein-Main-Gebiet gesehen. Außerdem gibt es in Frankfurt und Umgebung eine zahlungskräftige Zielgruppe.
Haben Sie bei der Wahl Ihres Berufes auch den Arbeitsmarkt im Blick gehabt?
Ich habe schon während des Studiums vorgehabt, mich selbstständig zu machen. Eine Arbeitsmarktbeobachtung gehörte natürlich dazu, also wer sind Anbieter, wie hoch sind die Gehälter. Die sind für viele Positionen übrigens oft sehr niedrig. Zwar wird in der Branche sehr viel Geld umgesetzt, aber davon kommt nur wenig bei den Zuarbeitern an. Designer sind ganz gut bezahlt, aber die Anforderungen und die Arbeitsbelastung sind auch immens hoch.
Wie bekommen Sie einen Überblick über Ihre Finanzen?
Ich sehe mich eher als Künstlerin und nicht als Zahlenmensch, aber ein Überblick über die Finanzen ist natürlich extrem wichtig. Nur dann weiß man als Geschäftsfrau oder -mann, was man investieren und was für sich selbst ausgeben kann. Einen Überblick über die Finanzen zu haben bedeutet für mich ganz einfach, immer ein Auge auf den Kontostand zu haben, Einnahmen und Ausgaben sauber zu verbuchen. Besonders wichtig ist, Einnahmen nicht gleich wieder komplett zu verplanen und dabei zu vergessen, dass Zahlungen ans Finanzamt ausstehen oder dass laufende Kosten gedeckt werden müssen. Diese Fehler passieren einem besonders leicht zu Beginn der Selbstständigkeit.
Aber man lernt eben auch mit den Jahren, und man kann und sollte sich auch Hilfe holen. Ich habe mir gleich zu Beginn Unterstützung von einer Steuerberaterin geholt, und mit ihr arbeite ich auch nach 30 Jahren noch zusammen. Sie ist nach wie vor meine Ansprechpartnerin für die „doofen“ Fragen, die man als Finanz- und Steuerlaie immer hat.
Was bedeutet Ihnen finanzielle Sicherheit?
Finanzielle Sicherheit finde ich prinzipiell wichtig, denn wenn man sie nicht hat, gibt es eine große Verunsicherung. Geld ist aber auch ein Mysterium, denn nur bis zu einem bestimmten Punkt macht es locker, aber wenn man sehr viel Geld hat, bleibt man auch nicht mehr entspannt. Sich im guten Mittelfeld zu bewegen ist ideal, weil man dann souverän Entscheidungen treffen kann.
Haben Sie bei der Berufswahl darauf geachtet, dass der Job finanziell und zeitlich mit Familie vereinbar ist?
Generell bin ich der Meinung: Wo ein Wille bzw. ein Wunsch ist, ist auch ein Weg. Für mich war deshalb nicht die erste Überlegung „Kann ich das auch?“ Mir war schon früh klar, dass ich für alles, was ich erreichen will, auch einen Weg finde. Ich denke, heute ist für junge Frauen wichtig, dass die Partner mit eingebunden sind, sodass nicht alles an ihnen hängen bleibt. Dass Frauen Unterstützung einfordern und Paare sich die Kinderbetreuung aufteilen, das muss noch selbstverständlicher werden. Denn die berufliche Selbstverwirklichung der Frauen soll nicht mit dem Kinderkriegen enden. Das Familienleben, die berufliche Entfaltung, das Interesse und der Spaß an der Arbeit müssen sich miteinander vereinbaren lassen. Zum Glück sind die Rahmenbedingungen, die das ermöglichen, deutlich besser geworden.
Haben Sie in Ihrem Beruf Hochphasen, in denen Sie sehr viel arbeiten müssen, und dann wieder Zeiten, in denen es ruhiger zugeht?
Das ist in meiner Branche auf jeden Fall so. Die ruhigeren Phasen werden immer genutzt, um sich auf die nächste Saison vorzubereiten. Wir arbeiten ja immer ein Jahr im Voraus; ich habe bereits die Sommersaison 2021 gestalterisch abgeschlossen.
Der Markt braucht die Saisonware ja eigentlich erst, wenn die Temperaturen entsprechend sind, aber de facto ist es so, dass im Sommer die Wintermäntel in den Geschäften hängen und im Winter die Bikinis. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren sicher etwas nivellieren und das wird den Markt etwas entspannen, aber es wird immer eine Wellenbewegung geben. Die muss man nutzen; man darf nicht die Füße hochlegen und sagen „Jetzt mach ich mal nix“. Einen Schritt voraus zu sein, das gehört in meiner Branche unbedingt dazu. Das muss man im Gespür haben, man muss die Trends des nächsten Jahres vorausahnen.
Wie sah denn Ihr Ausbildungsweg zur Designerin aus?
Ich habe Abitur gemacht und anschließend eine Lehre zur Damenschneiderin. Das war damals die erste vollschulische Berufsausbildung überhaupt. Es war sehr experimentell, weil es noch keinen richtigen Lehrplan gab. Es war eine tolle Ausbildung, weil sie sehr frei war, erst in den Jahren danach ist sie viel stärker strukturiert worden. Ich halte viel von der vollschulischen Ausbildung, weil es inzwischen nicht mehr so viele Betriebe gibt, die überhaupt noch ausbilden.
Nach der Lehre habe ich drei Gesellenjahre absolviert. Die waren damals Voraussetzung für die Ausbildung zum Designer, die noch mal zwei Jahre gedauert hat. Danach habe ich mich gleich selbstständig gemacht.
Ich kann übrigens nur empfehlen, eine Lehre zu absolvieren, wenn man noch nicht weiß, was man studieren soll. Etwas mit den Händen zu machen öffnet auch innerlich Türen und schafft Möglichkeiten.
Haben Sie damals während der Ausbildung eine Vergütung erhalten?
Nein, das gab’s in der vollschulischen Berufsausbildung nicht, und auch wer heute eine Lehre zur Frisörin oder Schneiderin macht, bekommt nur ganz wenig Geld. Ich finde, Geld sollte nicht im Vordergrund stehen, denn es gibt andere Möglichkeiten, sich unterstützen zu lassen.
Haben Sie zwischenzeitlich die Möglichkeit genutzt, Praktika zu machen, um noch in andere Bereiche hineinzuschnuppern?
Dadurch, dass ich mich sofort selbstständig machen wollte, habe ich das immer zurückgestellt, und irgendwann gab es dann auch keine Gelegenheit mehr dazu. Ich habe immer viel Antrieb gehabt, mich selbst weiter- und fortzubilden oder in Bereiche einzuarbeiten, soweit das zeitlich möglich war.
Wie sieht denn Ihr Berufsalltag aus? Gibt es Tätigkeiten, die Sie besonders häufig erledigen? Wie gehen Sie vor?
Ich arbeite sehr geregelt, stehe morgens auf und mache Sport, jeden Tag. Das ist die Basis für die Energie und die Motivation. Dann sitze ich ein, zwei Stunden am PC und bin dann etwa acht, neun Stunden im Laden. Das ist eine Kombination aus Ladengeschäft und Atelier, das heißt, wenn Kundinnen kommen, bin ich immer vor Ort, kann aber immer auch parallel an den Kollektionen arbeiten.
Das heißt, Sie sitzen an Entwürfen, wenn keine Kunden da sind, oder nehmen Sie sich für diese kreative Arbeit eine Auszeit, in der Sie sich darauf konzentrieren können?
Kreative Arbeit bedeutet nicht, sich hinzusetzen und auf einen guten Einfall zu warten. Inspiration findet sich überall. Wenn ich eine Idee habe, mache ich mir eine Notiz, eine kleine Zeichnung, einen Reminder, zum Beispiel dafür, dass ich noch einen interessanten Bericht lesen wollte, wenn ich in diesem Moment nicht dazu komme. Das führt dazu, dass ich die Ideen irgendwann auch noch mal sammeln und sichten muss. Aber eigentlich entscheide ich erst im Atelier, wenn wir die Schnitte machen, was wir in die Kollektion aufnehmen.
Sind Nachhaltigkeit und Regionalität in Ihrem Beruf auch ein Thema?
Auf jeden Fall! Ich habe schon in den ersten Jahren meiner Selbstständigkeit eine Kollektion aus bio-zertifiziertem Hanfstoff gemacht. Das ist heute umso interessanter, weil „öko“ damals überhaupt nicht positiv besetzt war und als ein bisschen lahm galt. Das traf zwar nicht auf meine Kollektion zu, für die habe ich immerhin den Deutschen Modepreis erhalten. Aber der Markt war nicht bereit dafür, das kann ich heute gut sehen.
Das Konzept für meine Kollektionen war schon ganz am Anfang nachhaltig und ist es noch heute. Ich kaufe zum Beispiel Stoffe auf, die Überhänge von anderen Designern sind, und zwar in einer Menge, die wir auch tatsächlich verbrauchen. Zudem wird die Musterkollektion am Ende einer Saison immer reduziert verkauft. Vor zwei Jahren haben wir außerdem angefangen, eine zusätzliche kleine Sommerkollektion, eine Art Zwischenkollektion aus bio-zertifizierten Stoffen zu machen. Ich finde, dass sich insgesamt sehr viel getan hat: Es gibt inzwischen tolle Bio-Stoffe, und das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der Mode hat sich stark entwickelt.
Fragen Kundinnen auch nach, woher die Stoffe kommen, aus denen Ihre Stücke gefertigt sind?
Manche fragen tatsächlich nach. Ich versuche aber auch, viel aktiv zu kommunizieren, und da merke ich immer, dass der Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekt auf große Resonanz stößt. Zum Beispiel, wenn ich erkläre, dass Stoffe „organic“ sind; das ist inzwischen sehr positiv besetzt, ganz anders als noch vor 30 Jahren.
Welche Herausforderungen erleben Sie im Berufsalltag?
Viele Herausforderungen ergeben sich schlicht daraus, dass ich den ganzen Tag mit Menschen zu tun habe. Das ist aber sehr reizvoll und keineswegs etwas Negatives. Die größte Herausforderung ist sicherlich, zwei Mal im Jahr eine Kollektion zu machen, die man sich im Jahr zuvor ausgedacht hat, und die auf den Punkt zu bringen. Dazu gehört ein bisschen Talent, aber auch die Offenheit, Strömungen wahrzunehmen und nicht in einer Spur zu laufen.
Wirtschaftlich ist jedes Jahr eine Herausforderung, weil man nie weiß, was auf einen zukommt, wie man sich positionieren muss, wie man Geld einteilen muss. Mit der Erfahrung wird das aber leichter und man wird entspannter im Umgang mit Krisen. In der Corona-Krise haben wir zum Beispiel etwas Schwierigkeiten, an Materialien zu kommen, aber das sind eben Dinge, auf die man sich einstellen muss, und als Kreativer ist man da gefordert. Und natürlich hat Corona ein Loch gerissen, das keiner bereit war zu stopfen; da werden wir abwarten, ob noch Unterstützung kommt, ansonsten müssen wir sehen, wie wir die Situation meistern. Das sind alles Herausforderungen, auf die man sich nicht vorbereiten kann. Wenn man mittendrin steckt, muss man sehen, wie man durchkommt, auch da ist wieder Kreativität gefragt – und positives Denken.
Gibt es bestimmte Eigenschaften, die man haben muss, wenn man in einen kreativen Beruf einsteigen möchte?
Wenn mich junge Menschen fragen, ob ich es ihnen empfehlen würde, diesen Beruf zu ergreifen, dann antworte ich immer, dass sie starkes Interesse und Leidenschaft dafür haben müssen. Es reicht nicht, hin und wieder zu Hause etwas zu basteln oder sich mal ein Täschchen zu nähen. Man muss sich die Frage „Was bedeutet Kreativität für mich?“ stellen, und wenn man die mit mehr als nur zwei Schlagworten beantworten kann, wenn da also eine innere Auseinandersetzung stattfindet, dann ist das ein erster Schritt.
Außerdem muss man die Bereitschaft mitbringen, hart zu arbeiten, viel Geduld haben und Hürden als Herausforderung sehen, nicht als Limit. Man muss der Intuition immer Raum geben können, für eine Sache brennen, sich selbst treu bleiben. Das sind die wichtigsten Aspekte.
Es gehört aber auch viel Idealismus dazu. Wer von Anfang an viel Geld verdienen möchte, sollte sich einen Beruf suchen, in dem er viel verdient. Wenn man aber sagt „Vielleicht verdiene ich eines Tages viel Geld damit, aber mein eigentlicher Antrieb ist es, Klamotten zu entwerfen und mich zu verwirklichen“, dann ist das eine gute Voraussetzung. Jetzt soll der Beruf aber auch so viel einbringen, dass man davon leben kann. Wenn am Anfang aber nur wenig Geld reinkommt, kann man nur von einem Tag zum nächsten planen. Das ist eine große Belastung, die muss man aushalten können.
Von Star-Designern liest man ja immer, sie würden dauernd reisen und seien immerzu inspiriert von Ausstellungen, Kunst und Kultur – ich persönlich finde es wichtiger, dass man ein Bewusstsein entwickelt und ganz offen bleibt, sich für Politik interessiert, für Gesellschaft, dass man nicht in Rastern denkt. Design ist eben nicht, sich für sich selbst schön zu machen, Design ist, an eine Zielgruppe zu denken. Wenn einem vorschwebt, glamouröse Roben zu entwerfen und man landet bei einem Jeans-Label – da ist Frust vorprogrammiert.
Was würden Sie jemandem, der sich für Ihren Beruf interessiert, raten: Wo und wie soll er anfangen?
Wenn man sich auf einen kreativen Studiengang bewirbt, muss man ja eine Mappe abgeben. Selbst wenn die gut ist – es gibt immer Hunderte, die sind noch großartiger. Das muss man sich eingestehen können, dass andere noch besser sind als man selbst. Aber was kann man wirklich gut? Das kann man in einer Ausbildung sehr gut herausfinden. Ich würde jemandem, der in die Mode gehen will, immer raten, eine Lehre zu machen. Das ist für mich am wichtigsten: Sich intensiv, geduldig zwei, drei Jahre mit der Materie auseinanderzusetzen. Man kann dann immer noch ein aufbauendes Studium dranhängen, aber man hat schon eine abgeschlossene Berufsausbildung, aus der man auch etwas entwickeln kann.
Website: https://www.christiane-wegner.com/
Instagram: https://www.instagram.com/christiane.wegner/
Krankenpfleger/-in und Feuerwehrmann/-frau
Markus Schlott hat gleich zwei Berufe: Er arbeitet in der Pflege und ist nebenbei Feuerwehrmann. Im Interview erzählt er von seinem Werdegang in beiden Bereichen. Was ihn am Pflegeberuf besonders reizt, ist, dass es sich um „eine unglaublich facettenreiche Tätigkeit“ handelt. Aktuell arbeitet er in der offenen Psychiatrie, er könnte aber auch in andere Bereiche, etwa die Innere Medizin, wechseln. Er beschreibt im Interview, wie die Ausbildung zum Krankenpfleger aussieht – und sagt, was bei diesem Beruf besonders wichtig ist: „Man sollte einfach ein gewisses Herz für die Pflege mitbringen.“
Interview mit Markus Schlott, Pflege und Feuerwehr
Sie sind Leiter einer offenen psychiatrischen Abteilung der Kliniken des Main-Taunus-Kreises und Feuerwehrmann. Wie kam es zu dieser Kombination?
Feuerwehrmann war ich schon mit dem Eintritt in die Jugendfeuerwehr, mit dem 17. Lebensjahr bin ich dann in die Einzelabteilung der Feuerwehr gekommen. Durch verschiedene Lehrgänge und Seminare habe ich mich in diesem Bereich weitergebildet. Ich wollte schon immer etwas mit Menschen zu tun habe und habe zuvor eine handwerkliche Ausbildung absolviert. Das hat mir auch Spaß bereitet und ich habe den Abschluss gemacht, doch irgendetwas hat mir immer gefehlt. Dann hatte ich die Gelegenheit, über ein Bildungskredit-Praktikum ein Praktikum in einem Krankenhaus zu absolvieren. Ich wollte einfach wissen, wie die Leute in einem Krankenhaus arbeiten. Statt lediglich dem Bild aus dem Fernsehen, wollte ich die Arbeit im Krankenhaus einmal „Real Life“ sehen. Das habe ich dann auch getan und es hat mir so gut gefallen, dass ich dann meine Krankenpflegerausbildung begonnen habe. Davor war Psychiatrie ja gar nichts für mich – um Gottes willen -, ich wollte weiterhin im notfallmedizinischen Bereich bleiben. Doch der Praxiseinsatz in der Psychiatrie, der ja laut der Ausbildungs- und Prüfungsordnung im Krankenpflegegesetz Pflicht ist, hat mir so gut gefallen, dass ich nach dem erfolgreich bestandenen Examen „in der Psychiatrie“ gelandet bin.
Welche Faktoren waren für Ihre Entscheidung ausschlaggebend (Aufstiegschancen, Gehalt, Arbeitsbedingungen etc.)?
Gehalt ist schon eine wichtige Sache. Im Handwerk und gerade als Schreiner verdient man nicht Geld en masse, in der Krankenpflege hingegen schon etwas mehr. Es kommt allerdings auch der Schichtdienst hinzu. Wobei ich sagen muss, dass ich den Schichtdienst mittlerweile sehr schätze, da ich dadurch unter der Woche viel flexibler bin. So habe ich unter der Woche auch mal Zeit für Arzttermine oder für mich, wie zum Beispiel heute. Der Schichtdienst bietet schon viele Vorteile, auch wenn es natürlich auch ein paar Nachteile gibt: Man hat zum Beispiel nicht – wie die Freunde – fast jedes Wochenende frei. Aber das ist eben so.
Was hat Sie dazu bewogen, in der Region zu bleiben?
Ich bin ja hier aufgewachsen. Meine Freunde sind hier, ich bin hier, meine Wohnung ist hier. Das passt schon ganz gut. Ich habe auch keine Ambitionen, wegzugehen, denn die Gegend ist mir vertraut. Warum sollte ich das Vertraute hinschmeißen und irgendwo anders hinziehen, wo ich mich am Ende vielleicht doch nicht wohl fühle? Denn das könnte durchaus der Fall sein.
Wie haben Sie bei der Wahl Ihres Berufes den Arbeitsmarkt beobachtet?
Jein. Kranke und pflegebedürftige Menschen gibt es prinzipiell immer. Folglich war es für mich klar, dass ich gute Chancen habe, wenn ich mich nicht komplett doof anstelle.
Was bedeutet Ihnen finanzielle Sicherheit?
Finanzielle Sicherheit ist mir schon sehr wichtig. Ich bin jetzt 34 Jahre, besitze eine Eigentumswohnung und habe keine Schulden. Viele meiner Kollegen, die in etwa in meinem Alter sind, haben nicht diesen Luxus. Gerade im Rhein-Main-Gebiet sind die Mieten sehr, sehr teuer, das ist natürlich auch ein finanzieller Aspekt. Zudem gibt es steuerfreie Sonntags- und Nachtdienst-Zuschläge. Da wird also schon ein bisschen was gemacht. Mein Arbeitgeber setzt sich auch viel für die Kollegen ein. Klar kann er jetzt nicht Geld en masse hinauswerfen, aber das dürfte, denke ich, jedem klar sein.
Wie behalten Sie den Überblick über Ihre Finanzen?
Heute meistens über Apps, früher ganz klassisch über Kontoauszüge. Aber heute nutze ich die App meiner Bank sowie die App meiner Kreditkarte. Auf diese Weise habe ich einen guten Überblick über mein Budget und kann auch ein bisschen sparen. Meine Eltern und Großeltern haben auch etwas für mich gespart, was mir heute zugutekommt.
Ein Teil Ihrer Vorsorge ist Ihre Eigentumswohnung. Wie sorgen Sie sonst für die Zukunft vor?
Ich habe ein separates Konto, auf das ich jeden Monat einen gewissen Betrag einzahle. In meiner Eigentumswohnung habe ich früher als Mieter gewohnt. Da es sich um eine Wohngemeinschaft handelt, gibt es das sogenannte Hausgeld, das jeden Monat automatisch abgezogen wird. Die Differenz vom Hausgeld zur Miete, die ich früher bezahlt habe, die wandert dann auf das eben erwähnte Konto. So habe ich dann einen gewissen Puffer: Wenn ich also beispielsweise ein neues Objektiv für meine Kamera brauche, dann kann ich mir das leisten und kaufe es mir eben. Natürlich ist so eine Sonderanschaffung nicht jeden Monat möglich, denn irgendwann wäre das Geld dann auch weg.
Könnten Sie mit Ihrem Gehalt eine Familie absichern?
Mit dem Gehalt eine Familie abzusichern, ist durchaus sportlich. Das wäre vermutlich nur mit finanziellen Einschränkungen möglich. Dazu müsste meine Lebenspartnerin auch in geringfügigerem Maße arbeiten.
Wie sah Ihr Ausbildungsweg in der Pflege aus?
Der Ausbildungsweg war bei uns im Klinikum Frankfurt-Main-Taunus so geregelt, dass man zuvor – also bevor man mit der Ausbildung beginnt – ein Praktikum macht. Das kann auf einer beliebigen Station absolviert werden und es muss auch nicht im gleichen Haus erfolgen. Man kann es zum Beispiel in einer Altenpflegeeinrichtung oder in einem anderen Haus eines anderen Klinikverbunds ableisten. Nach dem zwei- bis dreiwöchigen Praktikum kann man sich dann mit seinen Unterlagen in der Krankenpflegeschule bewerben. Meistens wird man dann auch eingeladen. Außerdem muss dann noch ein Führungszeugnis beantragt werden, um mit der Ausbildung beginnen zu können. Wenn man alle Unterlagen beisammen und sich gut dargestellt hat, kann man meistens zum 1. Oktober beginnen. Je nach Größe des Krankenhauses und der Ausbildungsstätte ist es manchmal auch möglich, bereits zum 1. April zu starten. Das erste Jahr ist dann erst einmal überwiegend der Theorie gewidmet. Hinterher fallen auch ein paar Krankenhauspraktika an, häufig im chirurgischen oder im internistischen Bereich, um diesen Hauptschwerpunkt in einem Klinikum abzudecken. Es gibt ja gewisse Sollstunden: Man braucht eine gewisse Anzahl an Stunden in der Chirurgie sowie auf den Stationen für innere Medizin und Neurologie. Im zweiten Jahr wird es dann schon etwas fachspezifischer: Da werden die Praxisstunden nicht mehr unbedingt in dem klassischen chirurgischen oder internistischen Bereich absolviert, sondern eher fachspezifisch in der Neurologie oder zum Beispiel in der Psychiatrie. Im zweiten und dritten Jahr ist dann das schulische Pensum weniger, dafür jedoch der praktische Anteil größer.
Haben Sie die Ausbildungsvergütung als ausreichend empfunden?
Jein. Alleine nicht. Während der Ausbildung habe ich bei meiner Mutter gewohnt, deshalb ging das. Aber irgendwann will man auch eine eigene Wohnung haben, auch wenn es nur eine kleine ist.
Wie sah Ihr Ausbildungsweg als Feuerwehrmann aus?
Mit 17 habe ich den Ausbildungslehrgang absolviert. Das ist der Grundlehrgang, in dem man die Standardsachen lernt. Mit Vollendung des 18. Lebensjahres habe ich dann meinen Atemschutz-Lehrgang absolviert. Außerdem nimmt man an Lehrgangsübungen teil, in denen man den Umgang mit Pumpen und anderen Gerätschaften lernt.
Arbeiten Sie in einer staatlichen, kirchlichen oder privaten Einrichtung?
In einer privaten Einrichtung.
Welchen Schwerpunkt hat die Einrichtung, in der Sie arbeiten?
Nun, wir sind ein Klinikum mit mehreren Standorten. In Bad Soden befinden sich die Chirurgie, die Geburtsstation und die Abteilung für Gynäkologie. Wir haben außerdem noch einen Klinikverbund mit Höchst; dort sind die Abteilungen für Neurologie sowie Psychiatrie angesiedelt. Somit haben wir eigentlich alles abgedeckt. Wir haben also nicht nur Psychiatrie in dem Sinne.
Wie sieht Ihr Berufsalltag aus?
Mein Alltag als Leiter ist meistens so, dass ich schon morgens gegen 6 Uhr mit meiner Arbeit beginne. Ich bekomme dann erst einmal eine Übergabe von den Kollegen und höre mir an, was in den letzten Stunden so angefallen ist. Gibt es irgendwelche Neuigkeiten? Stehen irgendwelche Untersuchungen an? Muss ein Patient irgendwo hingebracht werden? Dann schauen wir, ob Pflegeschüler da sind. Diese werden dann entsprechend miteingeteilt. Bei der Einteilung der Pflegeschüler versuchen wir zu beachten, dass wir häufig mit einigen Besonderheiten konfrontiert werden, die man so auf anderen Stationen eher nicht kennenlernt. Dann wird geprüft, ob noch irgendwelche Anwendungen und Anordnungen aufzuarbeiten sind. Ist vielleicht etwas übersehen worden? Das kann ja auch immer mal sein, denn wir sind ja auch nur Menschen. Danach werden unsere Patienten geweckt und es wird eine bestimmte Tagesstruktur geschaffen. Im Spätdienst werden Patienten meistens nicht mehr geweckt. (lacht) Wenn sie sich mal ihre Mittagsruhe gönnen, achten wir aber schon darauf, dass es nicht zu lang ist, damit der Nachtschlaf später nicht gestört ist. Zudem schauen wir, ob der Patient an etwas erinnert werden muss, oder irgendwelchen Untersuchungen anstehen. Wenn es einem Patienten äußerst schlecht geht, führen wir Krisengespräche zur Entlastung seines seelischen Zustandes. Außerdem beobachten wir die Medikamenteneinnahme. Dann klären wir, ob es noch weitere offene Fragen gibt oder ob Termine vereinbart werden müssen. Das stellen so die federführenden Aufgaben für den klassischen Krankenpfleger dar. Als Leiter muss ich mir außerdem noch Fragen stellen wie: Passt das mit dem Dienstplan? Ist die personelle Situation ausreichend? Wie sehen die nächsten Tage aus? Brauchen wir vielleicht ein bisschen mehr Personal oder müssen wir Personal „umschichten“? Lässt sich vielleicht noch das ein oder andere umorganisieren?
Sie arbeiten sowohl in der Pflege als auch als Feuerwehrmann. Wie sieht die zeitliche Aufteilung aus?
Es gibt ein Gesetz, das besagt, dass der Arbeitgeber Mitarbeiter für Tätigkeiten im Katastrophenschutz freizustellen hat. Daran hält sich mein Arbeitgeber auch. Allerdings nur, wenn es die Situation erlaubt. Ein Beispiel: Ich habe gerade eine laufende Reanimation. Das kann ja durchaus passieren, denn einige unserer Patienten sind nicht nur psychisch krank, sondern bekommen zum Beispiel auch mal einen Herzinfarkt. Einige von ihnen sind ja auch multimorbid, haben also verschiedene Erkrankungen. Wenn ich jetzt zum Beispiel eine laufende Reanimation habe, aber gleichzeitig einen Alarm bekomme, dann werde ich wohl die Katze auf dem Baum lassen und nicht wegfahren, sondern bei der Reanimation bleiben. Meine Kollegen wissen ja auch Bescheid, dass es vorkommen kann, dass ich mal nicht gehen kann. Allerdings kommt das eher selten vor. Es ist immer eine gewisse situationsbedingte Abwägung.
Wie lässt sich Nachhaltigkeit in den Krankenhausalltag integrieren?
Bei einem Krankenhaus ist es einfach so, dass sich eine gewisse Müllproduktion leider nicht vermeiden lässt. Denn ich glaube niemand – ganz egal, wie umweltbewusst die Person auch sein mag – möchte, dass ich ihm Blut mit einer Kanüle abnehme, die bereits bei einem anderen Patienten verwendet wurde. Gewisser Müll lässt sich deshalb einfach nicht vermeiden. Aber wir achten zum Beispiel schon darauf, dass wir nicht zu viel Wasser laufen lassen, wenn wir einen Patienten pflegen müssen. Außerdem versuchen wir, so wenig Material wie möglich, zum Beispiel Bettwäsche, unnötig zu verschwenden. Das ist ja auch ein Kostenfaktor. Klar, genau genommen ist es nicht mein Geld, aber je mehr wir sparen können, desto besser ist das für den Arbeitgeber, und das kommt indirekt ja auch wieder den Mitarbeitern zugute.
In welchen Bereichen in der Pflege lässt sich nachhaltiges Handeln noch deutlicher integrieren?
Aktuell leider nicht. Mein Arbeitgeber ist schon sehr, sehr gut, was diesen Bereich angeht. Man bildet die Leute auch entsprechend aus, dass sie einen gewissen Blick dafür haben und dass der Blick, der schon vorhanden ist, weiter geschärft wird.
Mit welchen Herausforderungen werden Sie bei Ihrer Arbeit konfrontiert?
Mit viel Leid, das muss man ehrlich sagen. Zum einen mit dem Leid der Menschen, was sie erleben mussten, natürlich mitunter auch im Erwachsenenalter. Zum anderen mit einer gewissen Hilfslosigkeit, denn seelische Erkrankungen sind schon etwas zäher: Sie kommen langsam, bleiben lange und gehen auch nur langsam wieder zurück. Außerdem gibt es nicht den einen Punkt, an dem man sagen kann: „Zack, jetzt sind Sie wieder gesund. Jetzt können Sie wieder nach Hause.“ Deshalb bleiben die Patienten bei uns auch meistens länger als zum Beispiel in der Chirurgie, wo ein Bruch immer ein Bruch ist. Der wird dann standardmäßig entweder operiert oder stationär behandelt und gut ist. Das ist bei seelischen Grunderkrankungen nicht unbedingt gegeben. Wir haben halt auch Menschen, die uns physisch bedrohen und die unschöne Dinge sehen, die nicht unbedingt der Realität entsprechen. Das geht mal mehr und mal weniger gut. Und manchmal müssen wir unseren Patienten auch Grenzen aufzeigen, indem man sagt: „Hey, das hilft leider nicht weiter. Du kannst nicht gewalttätig gegen uns sein, weil Du vielleicht etwas in uns siehst, was wir gar nicht sind.“ In diesen Momenten ist gewaltfreie Kommunikation dann ganz, ganz wichtig. Wir sperren auch niemanden irgendwo ein. Ich weiß nicht, ob man das vielleicht früher mal so gemacht hat. Sehr häufig wird ein ganz falsches Bild von der eigentlichen Psychiatrie vermittelt. Die Arbeit der Psychiatrie, wie auch die des gesamten Krankenhauses Höchst, ist wirklich hervorragend.
Welche Eigenschaften sind für Sie persönlich die Voraussetzung für einen Beruf in der Pflege bzw. bei der Feuerwehr?
Ein offenes Herz. Auch eine gewisse Grundmenschlichkeit sowie Verständnis sind wichtig. Wobei natürlich das Verständnis begrenzt ist. Man muss nicht unbedingt für alles Verständnis aufbringen, was der Patient – oder auch ein Angehöriger des Patienten – im Kopf hat. Wenn ein Angehöriger zum Beispiel Ärger verursacht, sage ich auch mal: „Da ist die Tür, bitte gehen Sie.“ Ich muss also nicht für alles Verständnis haben, aber eine gewisse Rücksichtnahme ist in dem Beruf enorm wichtig. Oft sage ich mir dann: „Gut. Die Person ist jetzt gerade auf irgendeine Situation sauer und das entsprechende Verhalten ist sozusagen das Ablassventil. Das bekomme ich halt gerade ab. Wenn ich jetzt gerade nicht da wäre, würde es eine andere Person abbekommen.“ Das ist immer situationsbedingt ganz unterschiedlich. Man sollte einfach ein gewisses Herz für die Pflege mitbringen.
Die Pflege ist an sich ein hervorragender Beruf – oder Berufung, kann man da schon fast sagen -, weil es einfach eine unglaublich facettenreiche Tätigkeit ist. Die Pflege an sich umfasst ein sehr weites Feld. Wenn ich zum Beispiel einmal sagen sollte: „Ich habe jetzt keine Lust mehr auf die Psychiatrie“, dann wechsle ich eben einfach in die OP oder auf die Station für innere Medizin. Oder ich könnte auch inhouse in eine andere Klinik wechseln. Ganz egal, ich bin so flexibel. Was will man mehr? Das ist toll, das ist gut. Und das hat man in keinem anderen Beruf. Wir hatten ja vorhin das Thema Aufstiegschancen. Klar sind die nicht ganz so hoch wie vielleicht bei einem Manager in einer Bank. Aber wenn ich das gewollt hätte, dann hätte ich in der Schule ein bisschen mehr auf andere Sachen aufgepasst. Aber nein, das wäre nichts für mich. Ich würde es genauso machen, wie ich es bisher gemacht habe, wenn ich mein Leben nochmal leben sollte.
Instagram: https://www.instagram.com/markusschlott/
Florist/-in
Andreas Slotty aus Wiesbaden kennt den Beruf des Floristen aus verschiedenen Perspektiven. Er hat nicht nur eine Ausbildung gemacht, sondern arbeitet mittlerweile selbst als Ausbilder in seinem eigenen Geschäft. Er kennt nicht nur den Arbeitsalltag genau, sondern er weiß auch, was wichtig ist, wenn Sie sich für diesen Beruf interessieren. „Also, eine künstlerische Begabung und räumliches Denken sind wichtige Voraussetzungen“, sagt er, aber natürlich sollte auch ein Interesse an Blumen vorhanden sein. Was man vielleicht nicht erwartet: Fähigkeiten im Kopfrechnen sind genauso gefragt wie ein gewisses Verkaufstalent. Aber natürlich kommt auch die Kreativität nicht zu kurz. „Wenn wir ein bisschen Luft haben, gönnen wir uns auch gestalterische Freiheit. Ideen, die wir im Kopf haben und immer mal selber umsetzen wollten. Wir suchen uns immer wieder solche Bonbons, um zu zeigen, was wir können, und um Kunden zu begeistern.“ Im Interview erzählt er, wie sein Berufsalltag aussieht.
Interview mit Andreas Slotty, Florist
Warum haben Sie sich für den Beruf des Floristen entschieden?
Meine Leidenschaft für Blumen habe ich schon sehr früh entdeckt. Bereits mit 7 Jahren habe ich die ersten Erfahrungen mit Pflanzen gesammelt und war sofort fasziniert. Und in meiner Familie gab es eine Tante, die ein Blumengeschäft hatte. Dort bin ich immer nach der Schule hingegangen und habe mitgeholfen. So bin ich dann dabeigeblieben.
Gab es noch weitere Faktoren, die für Ihre Entscheidung damals ausschlaggebend waren, zum Beispiel die Arbeitsbedingungen oder der Arbeitsmarkt?
Nein, das war nicht ausschlaggebend. Es war eher das Hobby, das ich zum Beruf gemacht habe.
Ihr Blumenladen ist in Wiesbaden. Was hat Sie dazu bewogen, aus dem Ruhrgebiet in die Region zu ziehen?
Ich bin schon sehr lange selbstständig. Sechzehn Jahre lang hatte ich zwei Blumengeschäfte in Oberhausen, im Ruhrgebiet. Und wie es manchmal so läuft im Leben, habe ich hier eine neue Liebe kennengelernt, und dann verliebt man sich natürlich auch in die Region. Hier ist es ja auch traumhaft schön, direkt am Rhein gelegen mit den ganzen Weinbergen. Ja, und dann bin ich halt hier hingezogen. Und ich habe mir vorgenommen, mein Geschäft bis zur Rente in Wiesbaden weiterzuführen.
Sie führen einen eigenen Blumenladen und sind selbstständig. Wie behalten Sie denn die Finanzen im Blick?
Finanzen und Kosten-Controlling sind ganz wichtig. Ich kann nicht einfach mehr ausgeben und Ware kaufen, als ich einnehme, sonst wäre das Geschäft ganz schnell wieder zu. Deshalb führe ich täglich Kassenbuch, prüfe, was an Rechnungen da ist, was an Eingängen verzeichnet wurde, dann der Online-Kontocheck. Was wir im Geschäft machen, ist die eine Hälfte der Arbeit, die andere ist die Buchhaltung.
Also muss man komplett alle Zahlen im Blick behalten, nicht nur Leidenschaft für die Pflanzen haben.
Genau. Man hat die laufenden Kosten, Lohnkosten, Versicherungen, Rechnungen von Waren, die man eingekauft hat, Rechnungen von Blumen und Strom. So wie alle anderen Selbstständigen auch jeden Monat ihre laufenden Kosten bezahlen und im Auge behalten müssen.
Was sind die Voraussetzungen, damit ich die Ausbildung zum Floristen machen kann?
Wenn ich Quereinsteiger bin, kann ich über Praktika herausfinden, ob mir der Beruf liegt. Das kann man mit einem Blumenladen vereinbaren, der einem gut gefällt. Dort einfach mal anfragen und sagen, dass man sich für den Beruf interessiert und ein Praktikum machen möchte. Oder auch für Berufseinsteiger, die gerade die Schule verlassen und vielleicht einen Ferienjob suchen, um zu gucken, was ihnen gefällt.
Wichtig ist natürlich auch der Schulabschluss. Interessenten sollten die mittlere Reife abgeschlossen haben und sehr gut kopfrechnen können, weil man natürlich mitrechnen muss, wenn man Blumensträuße zusammenstellt.
Eine weitere wichtige Voraussetzung ist, dass man sich für Blumen und Pflanzen interessiert, dass man kreativ ist, schon viel gebastelt hat. Also eine künstlerische Begabung und räumliches Denken sind wichtige Voraussetzungen.
Sie haben ja gerade schon den Schulabschluss erwähnt, auf den es auch ankommt. Wie sieht denn die Ausbildung aus? Wie werde ich Florist? Ist es eine schulische Ausbildung? Habe ich Praxisanteile?
Die Ausbildung ist überwiegend betrieblich und es sind pro Woche zwei Tage in den ersten zwei Lehrjahren, die in der Berufsschule ablaufen.
Und die Praxis lerne ich dann direkt in dem Ausbildungsbetrieb?
Richtig. Zu Beginn lernt man erst einmal die Basics: dass der Laden ordentlich ist, dass die Vasen gespült und gereinigt sind, den Blumenanschnitt usw. Auf diesen Basics baut man auf und es kommen erste gestalterische Aufgaben hinzu wie das Binden von Sträußen und Gestecken. Und sobald da mehr Sicherheit ist, kommt wieder ein neuer Baustein dazu. So ist es zumindest bei mir im Betrieb.
Das heißt, es ist auch von Vorteil, wenn ich fachliches Wissen mitbringe?
Genau, das Binden der Blumen muss zum Beispiel gelernt werden, und das ist auch ein Thema für sich. Ich hatte einen fiesen Ausbilder und musste meine ersten Sträuße mit Bambusstäben binden und etwas Spiralförmiges einarbeiten. Und da bin ich am Anfang so lange dran gescheitert. Ja, das ist nicht einfach.
Die Basics, die Techniken sind entscheidend, die müssen die Auszubildenden verstehen. Deshalb ist eine gute Auffassungsgabe von Vorteil. Kommunikativ sollte man sein, sowohl im Umgang mit Kunden als auch mit den Kollegen. Und ganz wichtig ist: Ich muss verkaufen können.
Worauf achten Sie bei Ihren Auszubildenden? Haben Sie da eine bestimmte Herangehensweise, wie Sie diese langsam an den Beruf heranführen?
Ja, wir haben natürlich Auswahlkriterien. Wir bieten Praktika und Ferienarbeit an, um zu gucken, ob das wirklich passt, ob die Chemie stimmt und ob Wille und Motivation vorhanden sind. Und während der Ausbildung ermuntern wir die Azubis immer, nachzuhaken, wenn sie etwas nicht verstanden haben, und nachzufragen, warum wir das so machen, wenn sie etwas sehen, was sie noch nicht gemacht haben. Auf diese Weise vermitteln wir dann auch viel Wissen.
Welche Weiterbildungsmöglichkeiten hat man als Florist?
Als Auszubildender und Florist ist es etwas schwierig mit der Familiengründung, da geht eher nur eine kleine Singlewohnung und mit einem Auto wird es dann schon eng. Ordentlich Geld verdienen kann man nur, wenn man richtig gut ist und sich gut verkaufen kann oder man noch den Weg des Meisters einschlägt.
Wenn man Spaß daran hat, mit jungen Leuten weiterzuarbeiten, also mit Auszubildenden, kann man auch die Ausbildereignungsprüfung machen. Das geht in unserem Beruf auch ohne Meister. Man ist dann höher qualifiziert und verdient mehr Geld.
Referenten werden immer gesucht, und die überbetrieblichen Schulen nehmen ganz gerne mal gute Floristen, die dann den Unterricht gestalten. Ganz wichtig sind Wettkämpfe, um sich einen Namen zu machen, und wenn man erfolgreich ist, verdient man auch ganz ordentlich.
Also sollte man als Florist ein gutes Netzwerk pflegen und das aktiv aufbauen?
Netzwerken ist das A und O, denn darüber haben Sie mich ja auch gefunden. Heutzutage darf man besonders die sozialen Netzwerke nicht außer Acht lassen.
Wie sieht Ihr Berufsalltag aus?
Natürlich haben wir viele Routinearbeiten, die irgendwann in Fleisch und Blut übergehen: Morgens das Geschäft aufmachen, die Kasse fertigmachen, den PC hochfahren. Dann wird der Laden noch einmal gefegt, es wird über die Schnittblumen, die fertigen Blumensträuße und Gestecke geguckt, ob alles in Ordnung ist.
Wenn Anschnitttag ist – den haben wir dreimal die Woche, manchmal auch viermal – wird danach die Ware vorbereitet. Die Schnittblumen werden erst einmal in Wasser gestellt und danach den Vasen zugeordnet, bevor sie in den Verkauf gehen.
Parallel dazu wird die Kalkulation der Schnittblumen gemacht. Danach schauen wir auf das schwarze Brett mit den Bestellungen und machen diese fertig. Es kann auch sein, dass wir noch Bestellungen vom Vortag abarbeiten müssen oder welche über Nacht reingekommen sind. Denn wir sind ja der Fleurop angeschlossen und bekommen darüber Aufträge per Fax, auch nachts.
Dann geht es weiter mit der telefonischen Annahme von Aufträgen, die Kunden im Laden müssen bedient werden, dann werden die ersten Blumen ausgeliefert. So ist der Tag strukturiert. Die Verkaufsabläufe wiederholen sich immer wieder, weil natürlich immer andere Kunden kommen. Dann gibt es Beratungsgespräche und immer die Vorarbeit für den nächsten Tag.
Wenn wir ein bisschen Luft haben, gönnen wir uns auch gestalterische Freiheit. Ideen, die wir im Kopf haben und selbst umsetzen wollten. Wir suchen uns immer wieder solche Bonbons, um zu zeigen, was wir können, und um Kunden zu begeistern.
Welche Trends sind denn gerade aktuell?
Momentan sind wir wieder in den 80ern. Trockenblumen oder Blumen, die sich leicht in opulenten Sträußen trocknen lassen, sind gerade angesagt, und auch der lebensfrohe Boho-Trend mit Einflüssen aus der Hippie-Szene hält an.
Wie sieht es denn aus, wenn neben den alltäglichen Bestellungen noch große Events anstehen, wenn jemand beispielsweise eine Hochzeit plant oder einen Kranz für eine Beerdigung braucht? Wie passt das ins daily business?
Dafür muss man sich Zeit freischaufeln. Wir als erfahrene Floristen wissen natürlich, wie viel Zeit wir für solche Arbeiten brauchen. Und die müssen dann in den Tagesablauf integriert werden: Mit Trauerarbeiten fangen wir am Tag vor der Beerdigung an, Hochzeiten brauchen aber viel mehr Vorlauf. Da benötigt man oft viele Gefäße und geht schon 14 Tage auf die Suche, damit man die ganzen passenden Gefäße hat. Eine Woche vorher bestellt man die Blumen, weil das Brautpaar ja auch gewisse Wünsche hat. Das muss alles in den Tagesablauf hineinpassen, und wenn es doch eng wird, muss man auch mal länger arbeiten.
Wir reden also nicht vom klassischen Schichtsystem, aber schon von Hoch-Zeiten wie Feiertage, an denen ich dann Überstunden einplanen muss?
Richtig, Überstunden fallen natürlich an. Wenn die anderen schon zu Hause sind und feiern, ist der Florist noch lange nicht fertig. Schon früher in der Ausbildung gab es bei uns den Spruch: Wir sind immer die letzten, die unter dem Baum sitzen. Das gehört einfach zum Beruf des Floristen dazu. Nur im Sommer während der Ferienzeit ist es etwas ruhiger. Aber Blumen gehören zu unserer Kultur dazu, deshalb haben wir immer zu gewissen Feiertagen unsere Stoßzeiten und Spitzen, zu denen mehr gearbeitet werden muss.
Welchen Stellenwert haben denn die Blumen in unserer Gesellschaft?
Sie sind Sympathiebringer. Blumen trösten, wenn jemand gestorben ist. Blumen sind wichtig bei Hochzeiten, denn es soll festlich, es soll schön aussehen. Und eine einzelne Rose sagt „Ich habe dich lieb“ oder „Ich liebe dich“. Blumen werden einfach überall eingesetzt.
Hat die Blume durch Corona noch einmal einen anderen Stellenwert bekommen?
Dieses Jahr liefern wir so viel aus wie noch nie. Leute besuchen sich nicht auf Geburtstagen oder Feierlichkeiten, halten Abstand – und wir sind dafür da, den Abstand mit Blumen zu füllen. So lautet ja auch die aktuelle Kampagne von Fleurop: #fülledenabstand. Wir verringern mit Blumen die Distanz und bringen Nähe.
Eigentlich haben wir dieses Jahr trotz Corona viele schöne Momente erlebt: Menschen, vor allem Ältere, die nicht besucht werden konnten, haben sich so gefreut, hatten Freudentränen in den Augen, weil die Lieben an sie gedacht haben. Um auch die Distanz, die dieses Jahr entstanden ist, irgendwie zu überbrücken und trotzdem Freude zu verbreiten.
Wie passen denn Regionalität und Blumenhandel zusammen? Ist das etwas, worauf Sie im Tagesgeschäft achten?
Ja, darauf achten wir natürlich sehr. Im Sommer beziehen wir unsere Pflanzen von regionalen Händlern, weil wir nicht möchten, dass die Transportwege zu weit sind. Freilandpflanzen und Freilandschnittblumen kaufen wir im Sommer überwiegend von den Gärtnern im Umland.
Und dann beziehen wir noch Fairtrade-Blumen. Die kommen aus Afrika und sind leider nicht regional, aber wir unterstützen damit sehr gute Projekte.
Wenn jemand mit dem Gedanken spielt, Florist zu werden, was sind dann die nächsten Schritte? An wen kann ich mich wenden?
Ich finde es immer ganz wichtig – und es macht auch einen besseren Eindruck in den Betrieben – dass man seine Bewerbungsmappe schon fertig hat. Eine schöne, ausführliche Mappe mit Lebenslauf. Damit sollte man direkt zum Betrieb gehen und nicht nur anrufen oder die Mappe per Post schicken. Einfach fragen, ob dieser Betrieb Floristen oder Auszubildende sucht und wer für die Ausbildung zuständig ist. Floristen sind ein spezielles Volk. Die haben es immer gerne persönlich. Wer ist das? Wer will da was? Wie ist der erste Eindruck? Und so kann man dann direkt schon einmal ein kleines Gespräch führen. Ich habe das früher auch so gemacht und es war nicht zu meinem Schaden.
Die erste Anlaufstelle ist also der Betrieb, über den ich dann die Ausbildung beginne?
Genau, darüber erfolgt dann auch die Schulanmeldung. Was auch noch ganz wichtig ist: Wenn ich Probleme habe und in einem Ort keinen Betrieb finde, kann ich mir Hilfe suchen und mich an den Fachverband deutscher Floristen wenden, den FDF. Die haben immer noch Möglichkeiten Betriebe zu empfehlen, die gerade ausbilden oder jemanden suchen. Außerdem kann man über den Verband auch kostenlos ein Ausbildungsplatzgesuch veröffentlichen. Wer sich für den Beruf des Floristen interessiert, findet dort die wichtigsten Informationen.
Website: https://blumenhaus-inge-wiesbaden.de/
Instagram: https://www.instagram.com/blumenhaus_inge/
Winzer/-in
Simon Höre wusste schon früh, wohin ihn sein beruflicher Weg führen würde. Er ist am Kaiserstuhl in der Nähe von Freiburg aufgewachsen, einer Weinbauregion, und hat sich nach seiner Ausbildung im Rheingau niedergelassen. Neben einer Lehre zum Winzer hat er ein Studium für Weinbau und Önologie in Geisenheim absolviert. Für ihn steht fest, dass die Winzerei sein Traumberuf ist. Was er besonders daran mag, ist die Abwechslung, die der Beruf bietet. Er sitzt nicht nur im Büro, sondern arbeitet auch im Weinberg, in der Natur. „Man produziert wirklich etwas mit den Händen“, sagt er. Im Interview erzählt er, wie die Ausbildung zum Winzer abläuft und wie sein Arbeitsalltag aussieht.
Interview mit Simon Höre, Winzer
Warum haben Sie sich für den Beruf entschieden?
Ich bin in einer Weinbauregion aufgewachsen, allerdings in einer anderen Region als die, in der ich jetzt arbeite. Groß geworden bin ich am Kaiserstuhl in der Nähe von Freiburg. Folglich war ich schon als kleines Kind öfters mit im Weinberg und auf diese Weise hat sich die Leidenschaft zum Wein, zum Produkt, aber auch zur Arbeit schon von klein auf entfaltet. Auch bietet das Produkt Wein eine gewisse gestalterische Freiheit, zudem ist es sehr vielfältig. Gleichzeitig ist es auch ein handwerklicher Beruf, also kein reiner Bürojob, und man produziert wirklich etwas mit den Händen.
Welche Faktoren waren für Ihre Entscheidung ausschlaggebend (Aufstiegschancen, Gehalt, Arbeitsbedingungen etc.)?
Ich denke, das Gehalt war im Vorfeld nicht so entscheidend, wobei der Verdienst natürlich trotzdem immer eine gewisse Rolle spielt. Als Winzer gefallen mir die gestalterischen Freiheiten sowie die Arbeit in der Natur sehr gut. Außerdem schätze ich die Abwechslung zwischen der Arbeit draußen im Freien und der Büroarbeit. Zudem sagen mir die Weiterbildungsmöglichkeiten zu, die der Weinbau bietet: Sei es die Weiterbildung zum Weinbautechniker oder das Studium für Weinbau und Önologie.
Was hat Sie dazu bewogen, in die Region zu ziehen?
Zuerst habe ich die Ausbildung zum Winzer am Kaiserstuhl absolviert und danach dann das Studium für Weinbau und Önologie in Geisenheim – also schon im Rheingau – abgeschlossen. So kam dann mehr oder weniger eins zum anderen. Außerdem fand ich es spannend, mal etwas außerhalb meiner Heimat zu erleben und neue Erfahrungen mit anderen Rebsorten zu sammeln.
Wie haben Sie bei der Wahl Ihres Berufes den Arbeitsmarkt beobachtet?
Die Ausbildung habe ich im Jahre 2010 begonnen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich den Arbeitsmarkt, was den Weinbau anbelangt, eigentlich gar nicht so auf dem Schirm. Vielmehr waren die pure Leidenschaft, das Umfeld – welches ich schon von zu Hause her kannte – und der Spaß am Produkt für meine Berufswahl ausschlaggebend.
Was bedeutet Ihnen finanzielle Sicherheit?
Selbstverständlich ist eine gewisse finanzielle Sicherheit immer wichtig. Im Hinblick auf den Weinbau ist die aber nie gewährleistet, da wir von und mit der Natur leben und ein gewisses Anpassungsvermögen an den Tag legen müssen. Aber wie die letzten paar Monate festzustellen war, kann Wein durchaus ein krisensicheres Produkt darstellen. Nichtsdestotrotz sind wir zweifellos von der Natur und auch vom Konsum abhängig.
Wie kommen Sie mit Ihrem Gehalt über die Runden?
Ich denke schon, dass man im Weinbau eine ganz gute Basis hat. Sei es, dass man „nur“ die klassische Berufsausbildung hinter sich hat oder ein absolviertes Studium, nach dem das Gehalt natürlich höher ist. Momentan komme ich sehr gut über die Runden. Das Gehalt im Weinbau ist jedoch – wenn man nicht selbstständig ist – auch nicht allzu üppig.
Wie behalten Sie den Überblick über Ihre Finanzen?
Ich bin diesbezüglich sehr strukturiert und behalte gern den Überblick. Bis auf die Sparkassen-App zur Überprüfung meines Kontostandes nutze ich dafür keine weiteren Apps. Ich lege mir den Überblick selbst an und auf diese Weise gelingt es mir, meine Ausgaben ganz gut unter Kontrolle zu haben.
Wie achten Sie darauf, zu sparen und Geld für Notfälle oder größere Anschaffungen zurückzulegen?
Da ich privat eine Art Haushaltsbuch führe, kann ich sehr gut kalkulieren, ob Anschaffungen warten müssen oder ob ich diese sofort tätigen kann.
Wie sorgen Sie für die Zukunft vor?
Ich habe eine Riester-Rente, zudem angesparte Rücklagen sowie eine private Vorsorge in Form von Fonds.
Haben Sie bei der Wahl des Berufes auf die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie geachtet?
Als ich mich entschlossen hatte, Winzer zu werden, stand Familie noch nicht zur Debatte. Dafür war ich noch zu jung. Aber da ich in einer Winzerfamilie aufgewachsen bin und eine Großfamilie habe, in der drei, vier Familienmitglieder Winzer sind, war mir von Anfang an klar, dass sich dieser Beruf sehr gut mit einer Familie vereinbaren lässt.
Das heißt in Bezug auf den Arbeitsalltag, dass man sich genügend Zeit für die Familie nehmen und im Voraus planen kann?
Beim Beruf des Winzers gibt es immer wieder Arbeitsspitzen, während denen man weniger Zeit hat. Die Vegetation gibt in gewisser Hinsicht das Arbeitstempo vor. Und es gibt Situationen und Zeiten, in denen es ein bisschen ruhiger wird und man entsprechend wieder mehr Zeit für die Familie hat. Im Großen und Ganzen ist es schon sehr gut kombinierbar.
Wie sieht die Ausbildung eines Winzers aus?
Die Winzerausbildung ist eine klassische Ausbildung, die in der Regel drei Jahre dauert. Wobei sich die Lehrzeit mit Abitur oder einer vorherigen Ausbildung auf zwei Jahre verkürzt. Das erste Lehrjahr stellt eine rein schulische Ausbildung dar. Im zweiten und dritten Lehrjahr arbeitet man dann in einem Betrieb und hat alle drei bis vier Wochen Berufsschulunterricht. Die meisten Betriebe sind für Auszubildende offen, was die Suche nach einem Ausbildungsbetrieb vereinfacht.
Und Sie haben dann noch ein Studium angeschlossen?
Ja, genau. Nach den zwei Jahren Ausbildung war ich in Geisenheim. Dort habe ich das Studium für Weinbau und Önologie abgeschlossen. Das Studium geht tief in die Materie und ist extrem spannend. Es bringt auch den Vorteil mit sich, dass man leicht ein Netzwerk mit anderen Kommilitonen aufbauen kann. Da Geisenheim eine international anerkannte Hochschule für Weinbau und Önologie ist, sind eigentlich auch überall in führenden Positionen Geisenheimer Absolventen zu finden.
Kann man auch über den Quereinstieg zum Weinanbau kommen?
Ein Quereinstieg ist auf jeden Fall möglich. Es gibt genügend Menschen mit solchen Lebenswegen – auch in meinem Umfeld. Einer von ihnen hat beispielsweise zuvor eine Ausbildung zum Bankkaufmann abgeschlossen. Er hat gemerkt, dass ihm diese Tätigkeit zwar ganz gut liegt, aber so wirklich erfüllt hat sie ihn nicht. Aufgewachsen in einer Weinbauregion hatte er schon Kontakt mit der Branche, hat dann nochmals umgesattelt und einen Quereinstieg zum Winzer gewagt. Mittlerweile hat er sein Studium in Geisenheim beendet und ist absolut glücklich damit.
Ist man als Winzer selbstständig?
Das hängt unter anderem von der Struktur des Anbaugebietes ab. Es gibt Winzer, die selbstständig sind, das heißt, dass sie ihre Trauben selbst produzieren und sowohl Weinausbau als auch Vermarktung selbst bewerkstelligen. Dann wiederum gibt es Winzer, die nur die Trauben produzieren und Mitglied in einer Genossenschaft sind. Das heißt, Weinausbau und die Vermarktung werden von der Genossenschaft übernommen. Und es gibt Winzer, die in einem reinen Angestelltenverhältnis beschäftigt sind. Grob geschätzt sind ca. 80 Prozent der Winzer auf eine Art selbstständig. Es gibt nämlich auch einen Weg, wie man sowohl selbstständig als auch in einem Angestelltenverhältnis tätig sein kann: Gerade in Regionen, in denen die Genossenschaftsstruktur sehr stark ausgeprägt ist, gibt es viele Winzer, die ihren eigenen Weinbau haben, also für die Genossenschaft ihre eigenen Trauben produzieren und vielleicht noch zusätzlich zwei oder drei Tage bei einem anderen Winzer oder einem Weingut in einem Angestelltenverhältnis beschäftigt sind.
Welchen berufsbedingten Herausforderungen müssen Sie sich stellen?
Die Ausbildung zum Winzer kann körperlich durchaus anstrengend sein. Denn als Winzer ist man eigentlich immer draußen in der Natur – egal, ob das Thermometer minus fünf Grad oder plus 30 Grad anzeigt. In bestimmten Phasen gibt es zudem starke Arbeitsspitzen. Ein gutes Beispiel bietet die Weinlese. Je nach Lesebeginn und Leseverlauf wird die gesamte Ernte eines Jahres in den Monaten September und Oktober eingefahren. Während dieser sehr intensiven Phase bleibt meist weniger Zeit für Freizeit und andere Aktivitäten.
Die „Werkstatt“ eines Winzers liegt praktisch draußen in der Natur. Und in den vergangenen drei Jahren, insbesondere im vorletzten und letzten Jahr, mussten wir erkennen, dass man sich auf die immer stärker verändernden Naturbedingungen einstellen muss. Seien das nun Dürren oder Spätfröste. Es kann durchaus auch passieren, dass einen Tag vor der Ernte ein Hagelschauer die Arbeit eines ganzen Jahres zunichtemacht.
Mit dem Beruf des Winzers ist außerdem immer eine Art Generationenvertrag verknüpft. Das bedeutet: Ich plane und pflanze einen Weinberg nie nur für mich allein. Da ein Weinberg meist um die 30 bis 40 Jahre besteht, muss ich auch viele Jahre vorausdenken und für die nächste Generation mitplanen. Denn es kann durchaus sein, dass mich Weinberge, die ich anpflanze, überleben. Vielleicht werde ich sie auch gar nicht mehr selbst roden. Stattdessen muss die nächste Generation dann mit diesen Weinbergen arbeiten. Deshalb funktioniert eine absolute Selbstbezogenheit im Weinbau einfach nicht – es muss immer generationenübergreifend gedacht werden. Als Winzer oder als Weinproduzent ist man zudem häufiger mit einem Zwiespalt konfrontiert und der Frage: „Was möchte der Markt für Weine? Und was habe ich selbst für Vorstellungen, wie mein Wein, den ich aus Überzeugung und Leidenschaft anbaue, sein sollte?“
Wie sieht Ihr Berufsalltag aus?
Der Arbeitsalltag eines Winzers ist meist sehr unterschiedlich, abwechslungsreich und wird maßgeblich von der Natur vorgegeben. Durch die Jahreszeiten entstehen immer wiederkehrende Arbeitszyklen. Im Winter, wenn die Vegetation ruht, müssen die Reben zurückgeschnitten werden. Das heißt, die Arbeit draußen findet bei Wind, Wetter und Kälte statt. Während der Sommermonate muss die Laubwand aufgeheftet werden, damit die maschinelle Bearbeitung der Reben gut vonstattengehen kann. Und während der Lese ist es so, dass es früh morgens in den Weinberg hinausgeht, um die reifen Trauben zu ernten. Am Nachmittag oder abends wird dann im Keller die Ernte des Tages verarbeitet.
Was ist das Besondere am Beruf des Winzers?
Der Beruf ist extrem vielfältig. Zum einen besteht er – was ich vorhin schon angesprochen hatte – aus Handwerk und zum anderen ist auch die administrative Arbeit im Büro zu erledigen. Man kann seiner Kreativität fast freien Lauf lassen, wobei man sich natürlich an ein paar Regeln halten muss. Das für mich Entscheidende ist aber, dass eigentlich kein Jahr dem anderen gleicht. Wir müssen uns ständig auf neue Gegebenheiten einstellen und immer bedenken: „Was bringt mir die Natur? Wie kann ich das umsetzen? Wie kann ich damit arbeiten?“ Das sind Grundlagen, die einfach vorgegeben sind und durch die ein Arbeiten nach Schema F nicht möglich ist. Eine weitere Besonderheit, die sich momentan extrem bemerkbar macht, ist die Tatsache, dass Wein zu einem absoluten Lifestyle-Produkt geworden ist. Momentan sieht man es überall, dass sogenannte Wein-Partys überall aus dem Boden sprießen. Junge Erwachsene wertschätzen das Produkt Wein extrem. Und Wein verbindet eine gewisse Tradition mit Innovation – was Jahr für Jahr sehr spannend ist.
Wie passen Regionalität und Weinbau zusammen?
Weinanbau und Regionalität sind eigentlich immer fest miteinander verankert. Reben wachsen nicht überall; weit im Norden, Richtung Polarkreis, werden wir keine Reben finden (lacht). Und was natürlich auch immer vorherbestimmt ist, sind die Bodenverhältnisse, das Klima und die angebauten Rebsorten. Hier bei uns im Rheingau werden andere Rebsorten als zum Beispiel in der Champagne, im Bordeaux-Weinanbaugebiet oder im Süden Spaniens angebaut. Darum sind meiner Meinung nach Weinbau und Regionalität immer fest miteinander verankert.
Wie sehr achten Sie auf Nachhaltigkeit?
Nachhaltigkeit ist ein unglaublich wichtiges Thema – nicht nur im Weinbau, sondern generell in der Landwirtschaft. Die Verbraucher fragen auch sehr stark danach, wie nachhaltig im Betrieb gearbeitet wird. Aus diesem Grund lässt sich auch beobachten, dass sich immer mehr Betriebe einer biologischen Anbauweise annähern und dass Nachhaltigkeit bei der Vermarktung des Produktes Wein eine extrem wichtige Rolle spielt. So wird inzwischen beispielsweise weitestgehend auf Mineraldünger verzichtet. Stattdessen werden Kompost oder Einsaaten mit anderen Pflanzen in den Rebgassen verwendet. Durch den Einsatz sogenannter Pheromone kann man auf den Einsatz von Insektiziden verzichten. Das heißt, es werden biologische Duftstoffe verwendet, mit denen man Schädlinge von den Trauben bzw. der Rebe fernhält.
Wenn jemand mit dem Gedanken spielt, ins Weingeschäft einzusteigen, was würden Sie ihm empfehlen?
Die oft angesprochene Leidenschaft sollte auf jeden Fall vorhanden sein. Klar, wenn ich jetzt sage: „Wein ist schließlich kein Industrieprodukt!“, dann würden mir sicherlich ein paar Großkellereien widersprechen (lacht). Aber im Endeffekt sollte man schon ein gewisses Interesse mitbringen. Oftmals schwirrt in den Köpfen der Verbraucher der Gedanke, dass Winzer das ganze Jahr über nicht wirklich viel machen, sondern nur während der Lese die Trauben ernten und ansonsten lediglich ab und an Wein probieren. Diese Vorstellung ist aber schlicht falsch. Denn der Beruf des Winzers ist körperlich sehr anstrengend.
Es gibt Arbeitsspitzen, gerade während der Lese oder im Sommer kann die Arbeit manchmal 12 bis 14 Stunden andauern. Das lässt sich dann nicht ändern, sondern ergibt sich aus dem, was uns die Natur vorgibt: Wenn sich zum Beispiel eine Schlechtwetter-Periode ankündigt, dann muss die Lese vielleicht schneller nach Hause gebracht werden. Bei großem Interesse am Weinanbau kann ich eigentlich nur jedem empfehlen, sich genauer über das Berufsbild zu informieren, am besten direkt zu ein paar Winzern zu gehen, um sich einen Eindruck von der Arbeit zu verschaffen. Es gibt viele Winzer, die durchaus bereit sind, jemanden im Rahmen eines Praktikums zu beschäftigen. Gerade während der Lese ist es sehr interessant, in einen der tollsten Berufe der Welt hineinzuschnuppern.
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Wichtig in der Ausbildung: Die Finanzen
Wenn Sie eine Ausbildung machen, bekommen Sie eine Ausbildungsvergütung, Unterhalt von Ihren Eltern oder erhalten staatliche Leistungen. Von diesem Geld bezahlen Sie zum Beispiel die Miete Ihrer Wohnung oder Ihres WG-Zimmers, Lernmaterialien und Ihre Lebenshaltungskosten.
Damit das Bezahlen reibungslos funktioniert, benötigen Sie ein Girokonto. Die Naspa bietet spezielle Konten für Studenten und Azubis an. So können Sie nicht nur überall in Deutschland an Sparkassenautomaten Geld abheben, sondern auch mit dem Smartphone bezahlen und Ihre Finanzen per Online-Banking und Sparkassen-App organisieren. Attraktive Extras on top gibt es mit dem Naspa Giro 18Plus, zum Beispiel eine Reiserückvergütung bei der nächsten Urlaubsbuchung oder Cashback beim Online-Shoppen.
Die Naspa steht Ihnen auch bei anderen Finanzthemen als starker Partner zur Seite, etwa bei der Frage, welche Versicherungen Sie während der Ausbildung oder des Studiums benötigen. Egal, ob Kfz-Versicherung, Haftpflichtversicherung, Auslandsreise-Krankenversicherung oder Vorsorge in Form einer Berufsunfähigkeitsversicherung – wir beraten Sie gern.
Wenn Sie gerade erst ins Berufsleben starten, ist das Alter vermutlich das Letzte, woran Sie denken. Doch eine frühe Altersvorsorge zahlt sich aus. Auch hierbei unterstützen wir Sie. Ob betriebliche Altersvorsorge, bei der Ihr Arbeitgeber etwas zuschießt, oder Riester-Rente – oft können Sie schon mit wenig Geld viel bewirken.
Ihr Partner während der Ausbildung
Die Ausbildung – und damit der Einstieg ins Berufsleben – ist ein wichtiger und spannender Schritt in Ihrem Leben. Sie entwickeln Ihre Fähigkeiten weiter, lernen neue Leute kennen und stellen die Weichen für Ihre Zukunft. Die Naspa steht Ihnen dabei mit Rat und Tat zur Seite. Wir begleiten Sie bei allen Fragen rund um die Themen Finanzen, Versicherung und Altersvorsorge während der Ausbildung und natürlich auch danach.