„An privaten Unis studieren nur Kinder reicher Eltern.“ So lautet wohl eines der häufigsten Vorurteile für ein sogenanntes „privates Studium“. Doch das stimmt so pauschal natürlich nicht. Immer mehr Studentinnen und Studenten entscheiden sich für das Studium an einer privaten Hochschule. Mittlerweile gibt es in Deutschland 106 davon, in Hessen und Rheinland-Pfalz sind es insgesamt 40 Standorte. Und diese stehen allen Studierenden aus sämtlichen Gesellschaftschichten offen!
Was ist eine private Hochschule?
Der offensichtlichste Unterschied zwischen einer privaten und einer öffentlichen (bzw. staatlichen) Hochschule ist die Art der Finanzierung. Während öffentliche Hochschulen und Unis in der Regel den Großteil ihres Budgets vom Staat – in der Regel den Bundesländern – und damit aus Steuermitteln erhalten, werden private Hochschulen durch Studiengebühren und Zuwendungen von Unternehmen finanziert.
Durch die Studiengebühren kostet ein privates Studium deutlich mehr als ein Studium an einer öffentlichen Hochschule. Für ein Studium an einer Privatuni muss man – je nach Fachrichtung – zwischen 4.000 und 12.000 Euro im Jahr zahlen. Das Studium an einer staatlichen Hochschule ist dagegen kostenlos, es werden „nur“ Semestergebühren fällig, die meist zwischen 200 und 300 Euro liegen.
In Hessen gibt es rund 30 Privatunis, viele davon in Frankfurt am Main. Andere befinden sich in Darmstadt, Idstein oder Kassel. In Rheinland-Pfalz sind es zehn private Hochschulen, u. a. in Koblenz, Mainz und Montabaur. Bei ihnen handelt es sich in der Regel nicht um Universitäten, die forschungsorientiert sind und die Möglichkeit zur Promotion bieten, sondern um (Fach-)Hochschulen mit praxisorientierter Ausbildung.
Welche Studiengänge gibt es an privaten Hochschulen?
Bei der Vielfalt an Studiengängen der öffentlichen Hochschulen können Privatunis nicht immer mithalten. Meistens ist das Studienangebot auf bestimmte Fachgebiete beschränkt. Beispiele sind Hochschulen mit Schwerpunkt Wirtschaft wie die Frankfurt School of Finance & Management oder die WHU – Otto Beisheim School of Management, die ihren Sitz in Vallendar hat. Erworben werden können hier reguläre Studienabschlüsse wie Bachelor und Master. Auch ein berufsbegleitendes Studium ist häufig möglich.
Die Studiengänge entstammen meist den Bereichen Technik/Ingenieurswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften bzw. Sozialwissenschaften/Psychologie. Sie sind sehr praxisorientiert. Mittlerweile kann man auch Fächer wie Medizin oder Jura an privaten Hochschulen studieren. Wegen der besonderen Bedingungen – zum Beispiel der Absolvierung des klinischen Studienteils oder des Referendariats – sollten Sie sich im Vorfeld erkundigen, wie der Studienablauf konkret gestaltet ist.
Nur wenige Privatunis bieten die Möglichkeit zur Promotion. Wer eine Karriere in Forschung und Wissenschaft anstrebt, muss meist an eine staatliche Hochschule wechseln.
Privates Studium: Vor- und Nachteile
Die Vorteile eines Studiums an einer privaten Hochschule beginnen schon bei den Zulassungsvoraussetzungen:
- Abiturnote nicht immer entscheidend: Viele begehrte Studiengänge an staatlichen Unis und Hochschulen haben einen hohen Numerus Clausus (NC), um die Anzahl der Studierenden zu beschränken. Bei einem privaten Studium spielt Ihr Notendurchschnitt beim Abitur zwar auch eine Rolle, ist aber nicht immer der entscheidende Faktor. In der Regel durchlaufen Sie ein Assessment Center, machen einen Eignungstest oder werden zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Dadurch stehen Ihre persönlichen Eigenschaften stärker im Vordergrund.
- Eine gute Lernumgebung: Da an privaten Hochschulen nur wenige Studierende pro Jahrgang zugelassen werden, gibt es hier keine überfüllten Hörsäle. Stattdessen erarbeitet man sich den Studienstoff in kleinen Lerngruppen. Direkter Kontakt zu Professoren und Dozenten ist selbstverständlich, wodurch die individuelle Förderung viel besser möglich ist. Meist betreut ein Dozent maximal 30 Studierende. Dank Studiengebühren und der Unterstützung aus der Wirtschaft wird viel Geld in moderne Technik investiert und es können renommierte Gast-Dozenten aus der ganzen Welt eingeladen werden.
- Gute Kontakte und schnellerer Berufseinstieg: Viele private Hochschulen, vor allem solche aus den Bereichen Wirtschaftswissenschaften, unterhalten zahlreiche Kontakte zu mittelständischen und großen Unternehmen. Davon profitieren in der Regel auch Studierende in Form von Praktika und Empfehlungen und können so häufig schneller nach der Hochschule in einen gut bezahlten Beruf einsteigen.
Gleichwohl bringt das Studium an einer privaten Hochschule auch einige Nachteile mit sich:
- Nicht alle Hochschulen sind anerkannt: Generell sollten Sie sich informieren, ob der akademische Grad, der am Ende verliehen wird, staatlich anerkannt ist. Fehlt die Akkreditierung, halten Sie am Ende nur ein teures Zertifikat in den Händen und stoßen beim Berufseinstieg oder Uni-Wechsel auf Probleme. Die staatliche Anerkennung ist auch ein gutes Zeichen, dass es sich um eine seriöse Institution handelt und die Studiengänge aktuelle wissenschaftliche Maßstäbe erfüllen.
- Hohe Studiengebühren: Der größte Nachteil eines Studiums an einer privaten Uni oder Hochschule sind die teilweise immensen Studiengebühren. Pro Semester müssen Sie mit durchschnittlich 3.000 Euro rechnen, das macht 500 Euro pro Monat nur fürs Studium. In bestimmten Fällen liegen die Studiengebühren sogar bei rund 1.000 Euro im Monat. Ein Fernstudium ist häufig günstiger, trotzdem sind es immer noch 200 bis 400 Euro pro Monat. Bei einigen Privatunis muss man auch eine Bewerbungsgebühr bezahlen, die meist zwischen 200 und 300 Euro beträgt.
… immer mehr Menschen an einer privaten Hochschule studieren? Im Wintersemester 2010/2011 waren es 108.728 Studierende, im Wintersemester 2020/2021, waren es fast dreimal so viele, nämlich 306.637 Studierende.“
(Quelle: Statistisches Bundesamt, 2022)
Privates Studium finanzieren: Das sind die Möglichkeiten
Es gibt mehrere Möglichkeiten, ein privates Studium zu finanzieren. Zur Bestreitung Ihrer Lebenskosten können Sie natürlich Bafög beantragen, allerdings sind darin nicht die Studiengebühren enthalten. Diese müssen Sie anderweitig finanzieren, zum Beispiel über Eltern und Familie, einen Nebenjob oder einen Studienkredit.
Zudem gibt es bei vielen privaten Hochschulen Stipendienprogramme, die nach einer erfolgreichen Bewerbung einen Teil oder die gesamten Studiengebühren übernehmen. Alternativ kann man sich bei einer der zahlreichen Stiftungen um ein Stipendium bewerben. Voraussetzung sind meist gute Noten und soziales oder politisches Engagement.
Eine Finanzierungsvariante, die sich immer häufiger an privaten Hochschulen findet, nennt sich „umgekehrter Generationenvertrag“. Dabei muss man die Studiengebühren erst bezahlen, wenn man ein geregeltes Einkommen hat. Der fällige Betrag wird zudem in Relation zur Höhe des Einkommens gesetzt und wird dann genutzt, um das private Studium der nächsten Generation von Studierenden zu finanzieren.
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